Americafirst diktiert Kriegsende, brüskiert Friedensprojekt, und kassiert Schutzgeld

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  • 13_05_2025_Americafirst_beendet_Krieg_brüskiert_Friedensprojekt
    21:44

Americafirst diktiert Kriegsende,
brüskiert Friedensprojekt,
und kassiert Schutzgeld

Es zeichnet sich eine Wende im Krieg in der Ukraine ab; die aktuelle Perspektive, made in USA, sieht so aus:

Laut den US-Medien ‘Axios’ und ‘Washington Post’ sieht der US-Vorschlag im Kern vor, die Halbinsel Krim offiziell sowie die besetzten Gebiete Luhansk, Donezk, Cherson und Saporischschja de facto anzuerkennen. Außerdem soll der Ukraine der Nato-Beitritt verwehrt, ein Beitritt zur EU jedoch offengehalten werden. Ferner sollen die seit 2014 verhängten Sanktionen aufgehoben werden. Es ist keine Rede von Sicherheitsgarantien für die Ukraine oder einem Abzug der russischen Truppen. Der Osteuropa-Experte Stefan Meister sieht Russland als deutlichen Gewinner der Vorschläge von Trump. ‘Für Putin sind die Ideen aus den USA ein Riesenerfolg’, sagt der Politikwissenschaftler im Gespräch mit t-online. ‘Trump hat ihn aus der Isolation geholt und gleichzeitig die Ukraine in eine schwierige Lage gebracht.’ Denn Selenskyj könne den US-Vorschlägen nicht zustimmen – ‘aus innenpolitischen und militärischen Gründen, aber auch schlicht, weil er die Zukunft seines Landes absichern muss … Der bisherige Plan wäre jedoch de facto eine Kapitulation der Ukraine.’“ (t-online 24.4.2025)
https://www.t-online.de/nachrichten/ukraine/id_100691488/ukraine-krieg-kiew-durch-usa-unter-druck-fuer-putin-ein-riesenerfolg-.html?utm_source=firefox-newtab-de-de

Das eigentliche Opfer von Americafirst: Europa blamiert!

So oder so ähnlich wird es wohl weitergehen; die inzwischen legendäre und von ihm selbst überschwänglich gelobte „Flexibilität“ des US-Präsidenten sollte man vermutlich nicht außer Acht lassen. Das andere Opfer dieses Friedensplans neben der Ukraine ist allerdings niemand Geringerer als Europa, zumindest wenn man dessen Fans glauben will; exemplarisch eine Stellungnahme im Standard:

Wer Trumps Ukraine-Plan zustimmt, beendet nicht den Krieg, dafür aber Europa … US-Präsident Donald Trumps ‘Friedensvorschlag’ für die Ukraine ist kein Angebot, sondern ein Diktat. Ein Waffenstillstand entlang der jetzigen Frontlinien, die Anerkennung russischer Annexionen und der Verzicht auf eine Nato-Mitgliedschaft wären keine Friedensbasis – sie wären Kapitulation. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sollte diesem Plan nicht zustimmen. Und die EU ist gefordert, Rückgrat zu zeigen: Denn wer auf diese Weise Frieden erzwingen will, zerstört nicht weniger als das Fundament der europäischen Nachkriegsordnung.“ (Standard 25.4.2025)
https://www.derstandard.at/story/3000000267254/wer-trumps-ukraine-plan-zustimmt-beendet-nicht-den-krieg-dafuer-aber-europa

Starker Tobak, und eine bedeutungsschwere Auskunft! Ein solcher Friedensvorschlag unter Anführungszeichen wäre glatt eine Kapitulation – und zerstört damit die europäische Nachkriegsordnung als Draufgabe!? Wer zustimmt „beendet nicht den Krieg, dafür aber Europa“? Klar, nicht die europäische Zustimmung beendet den Krieg, sondern Trump durch Druck auf die Ukraine und Russland, oder gleich durch ein Diktat; aber wer zustimmt – noch einmal –, „zerstört das Fundament der europäischen Nachkriegsordnung“? Das schaut auf den ersten Blick alles ein wenig paradox aus, denn gerade derzeit, Anfang Mai, wird rituell eine Kapitulation – jene vor 80 Jahren – als das Fundament genau dieser europäischen Nach-Kriegs-Ordnung gefeiert. Also was denn – Kapitulation und Friedensordnung sind doch gar keine Gegensätze, jeder anständige Friede ist ein Kriegsergebnis, damit Resultat einer Kapitulation! Die österreichischen Grenzen etwa sind ein Kriegsergebnis, Resultat einer Kapitulation, und da sind Österreichs Grenzen keine Ausnahme. Und wieso ist eine Niederlage der Ukraine viel mehr als das, nämlich gleichbedeutend mit einer Niederlage, gar einem „Ende“ Europas? Was verliert „Europa“ dadurch? Da sind offensichtlich europäische Ansprüche unterwegs, die eine Fortsetzung des Krieges verlangen. Welche? Und hat sich gerade Europa nicht immer mit der Bezeichnung „Friedensprojekt“ geschmückt?

Das kann man auch mal rational lesen, nämlich: Wenn die europäischen Staaten, zumindest die wuchtigeren, schon vor einigen Jahrzehnten zum Ergebnis kommen, sie sind – ein jeder für sich – allesamt zu klein, um global eine Rolle zu spielen, und sich diese Staaten daher zusammentun, dann müssen sie wirklich untereinander den Frieden halten und manche Erbfeindschaft begraben, um gemeinsam nach Außen machtvoll agieren zu können. Beim seinerzeitigen ersten Anlauf, als imperialistisches Subjekt tätig zu werden und „Geschichte zu machen“, also per Krieg zu entscheiden, welche Staates es gibt und wo die Grenzen verlaufen, vor ca. 30 Jahren im Zuge der Zerstörung Jugoslawiens – damals hat sich „Europa“ an seinen eigenen Ansprüchen blamiert, indem letztlich die USA als NATO-Vormacht den Bombenkrieg gegen Serbien entschieden haben. Die europäischen Ansprüche sind deutlich größer geworden, sie wurden ursprünglich als „wirtschaftsfriedliche Eroberung“ von Lebensraum im Osten vorangetrieben, was von Russland mit Beginn 2014 gestoppt wurde. Diese europäischen Ansprüche in Richtung Osterweiterung sind es nun, die in der Ukraine auf dem Spiel stehen; immerhin geht es angeblich um die Fundamente Europas, nach dem Dafürhalten des zitierten Kommentars:

Doch was ist die Alternative? Statt Kapitulation braucht es eine Strategie, die Frieden durch Stärke schafft. Sicherheitsexperten empfehlen eine Kombination aus verlängerter Militärhilfe, massiver wirtschaftlicher Unterstützung und politischer Integration in die EU: Nur das ermöglicht Friedensverhandlungen zu den Bedingungen und dem Tempo der Ukraine. Aus einer Position der Stärke heraus, und nicht, weil zwei Demagogen mit faschistoiden Fantasien einen ganzen Kontinent dazu mobben. Dass die Ukraine den Krieg militärisch gewinnen wird, ist unwahrscheinlich. Aber dass sie in eine viel stärkere Verhandlungsposition gelangen kann, ist nicht nur möglich, sondern die Pflicht Europas. Wenn Putin klargemacht wird, dass Europa die Ukraine auch über Jahre hinweg unterstützen wird, könnte ihn das eher zu Zugeständnissen bewegen.“ (Standard 25.4.)

Nicht näher genannte „Sicherheitsexperten“ empfehlen also eine formidable europäische Ankündigungspolitik: Wenn ein „Europa“ Putin mitteilt, dass es die Ukraine so wie bisher finanzieren und aufrüsten wird, dann könnte, sollte, müsste Russland doch wohl beeindruckt nachgeben? Aha. Der militärische Sieg der Ukraine ist durch dergleichen nicht zu erwarten, meinen die Experten, aber immerhin wären Verhandlungen „aus einer Position der Stärke“ möglich; der eigenständige europäische Imperialismus möge also bitte das an „Stärke“ ersetzen und womöglich überbieten, was durch die Wende in Amerika nun ausfällt. Der entscheidende Unterschied in Gestalt der hier skizzierten ukrainischen Teil-Kapitulation aus einer Position der Stärke heraus bestünde also darin: „Europa“ wäre wieder eingemischt, wäre durch eine derartige europäisch orchestrierte Fortsetzung des Krieges wieder dabei, mittendrin in der Konfrontation der Imperialisten, und müsste nicht von der Seitenlinie zusehen, wie „zwei Demagogen mit faschistoiden Fantasien“ die Zukunft der Ukraine unter sich ausmachen und Europa mitsamt seinen ausgreifenden Ansprüchen ziemlich blöd, weil ohnmächtig dastehen lassen. Dafür also müsste Europa die Schlächterei anheizen und weiter bis zum vorletzten Ukrainer kämpfen lassen – um wieder als Subjekt gegenüber Russland und den USA ins Spiel zu kommen. Und wenn, so der zitierte Standard-Kommentar, wenn Europa das nicht hinkriegt, dann ist Europa erledigt und kann einpacken; denn unter einem imperialistischen Subjekt, das es mit den „zwei faschistoiden Demagogen“ aufnehmen kann, in allen wesentlichen Fragen der militärischen Gewaltentfaltung, darunter will der Autor sein geliebtes Europa nicht haben und nicht weiter anhimmeln. „Europa“ darf nicht nachgeben, weil es sich dadurch als Papiertiger entlarven würde, vor dessen Abschreckungs-Terror kein Autokrat Angst haben müsste – und damit wäre das Friedensprojekt erledigt …

Der Text im Standard reflektiert auf seine stellenweise leicht größenwahnsinnige Art die missliche Situation, in die Americafirst das europäische Weltmacht-Projekt tatsächlich bugsiert hat: Die europäischen Groß- und Kleinmächte haben sich gewohnheitsmäßig als Mitmacher, damit Teilhaber und Nutznießer einer Weltmacht namens „der Westen“ benommen, und ein dementsprechendes Anspruchsniveau entwickelt. Americafirst hat durch seine Absage an die bisherige Weltordnung und an diesen „Westen“ diese europäische Position entwertet und damit offen gelegt, wie sehr das Auftrumpfen der EU gerade gegenüber Russland auf der geborgten Macht der USA beruht hat, was Trump wiederholt als Schmarotzer- und Trittbrettfahrertum gegeißelt hat. Trump zwingt die Europäer in eine neue Lage; die bisherige Definition, wonach Russland sich am Monopol „des Westens“ auf den Krieg als Mittel der Politik vergriffen hätte und daher niederzumachen oder wenigstens militärisch zu zermürben wäre, die gilt nicht mehr. Der Krieg ist aus Sicht der USA nur mehr ein regionaler Konflikt, der für Amerika bloß Kosten verursacht, und die Freiheit im Umgangs mit Putins Russland eingeschränkt hat. Das sollte man bloß nicht als einen schlichten Frontwechsel auf die Seite Russlands interpretieren; Americafirst gilt natürlich auch im Verkehr mit Putin, und die Zurückstufung des Krieges von der ultimativen und inakzeptablen Herausforderung des Westens zu einer militärischen Spezialoperation ist schon ein Schritt zur Abklärung, welche ökonomischen, strategischen amerikanischen Bedürfnisse mit einem nicht mehr „ausgegrenzten“ Russland eventuell voranzubringen wären.

Americafirst kassiert Schutzgeld

Das gerade finalisierte „Rohstoffabkommen“ stellt ebenfalls klar, dass die US-Administration nicht daran denkt, die wirtschaftsfriedliche Eroberung der Ukraine wie bisher der Europäischen Union zu überlassen:

Unterzeichnet wurde das Abkommen von US-Finanzminister Scott Bessent und der ukrainischen Vizeregierungschefin Julia Swyrydenko. Der Text wurde vorerst nicht veröffentlicht. … Die USA erhalten damit einen privilegierten Zugang zu ukrainischen Ressourcen – darunter Metalle der seltenen Erden, die für Hochtechnologie und strategisch gleichermaßen wichtig sind. … US-Finanzminister Bessent wurde im Hinblick auf weitere Inhalte des Abkommens nicht sonderlich konkret, zeigte sich aber zufrieden. Dieses sei ein klares Signal an die russische Führung, dass sich die Regierung unter US-Präsident Donald Trump langfristig für einen Friedensprozess einsetze, in dessen Mittelpunkt ‘eine freie, souveräne und prosperierende Ukraine’ stehe.“ (orf.at 1.5.2025) https://orf.at/stories/3392172/
Die Grenzen, vulgo die ukrainische „territoriale Integrität“, sind dabei nicht sonderlich von Belang.

Um Bedenken in der Ukraine vor einem möglichen Ausverkauf des Landes nach Washington zu begegnen – solche gibt es zahlreich – betonte Swyrydenko, dass der Fonds gleichberechtigt mit den USA betrieben werde. … Trump setzte die Ukraine in der Vergangenheit vor allem bei der Ressourcenfrage stark unter Druck. Er betrachtete potenzielle Gewinne aus dem Rohstoffabbau als Ausgleich für finanzielle und militärische Unterstützung der USA im Kampf gegen Russland. Nach Unterzeichnung der Vereinbarung betonte Trump nun, dass die USA viel mehr zurückbekommen würden, als sie bisher investiert hätten. … Er bekräftigte auch seine Sichtweise, dass eine wirtschaftliche Präsenz der USA in der Ukraine auch eine Sicherheitsgarantie für das Land darstelle. Damit hängen die von der Ukraine verlangten US-Sicherheitsgarantien gegen Russland in der Luft. Im Zuge der Unterzeichnung des Abkommens wurden sie von offizieller Seite jedenfalls nicht thematisiert.“ (ebd.)

Americafirst räumt den Wertehimmel auf

Von amerikanischem Isolationismus oder Rückzug kann nicht die Rede sein, so interessant wie Grönland oder Panama ist die Ukraine für die USA allemal. Allerdings unter eindeutigen Gesichtspunkten mit viel Symbolcharakter, was amerikanische Interessen betrifft: Das Engagement muss sich für Amerika lohnen, Americafirst hat es einfach nicht nötig, seine Durchsetzung als Dienst an höheren Prinzipien oder gleich an der ganzen Menschheit zu interpretieren. Die alten Kalauer, die vom zitierten Standard-Kommentar mit viel Schnappatmung aufbereiteten höchsten Werte werden dementsprechend degradiert. Ginge es nach dem Schreiberling, dann wäre die bisherige Liste der gern vom früheren Westen beanspruchten Kriegsgründe nach wie vor gültig: Das Völkerrecht, die Gerechtigkeit, die territoriale Integrität, die Selbstbestimmung, die Souveränität, die Demokratie, die Sicherheit usw. usf. – sie alle schreien nach Krieg. Nicht zu vergessen das ukrainische Volk – abgesehen von nicht wenigen Deserteuren und vielen Flüchtlingen; und abgesehen von der russischen Bevölkerung im Osten der Ukraine, die mit viel Umvolkung durch Entrussifizierung konfrontiert ist, durch Sanktionen in Sachen Sprache, Kultur, Religion und durch ein kleines Umschreiben der Geschichte, bekanntlich keine Besonderheit des Sowjetsystems. Man könnte ja wieder mal was lernen, über den Stellenwert moralischer Titel in der Realpolitik, über die Werte einer Wertegemeinschaft für alle Werk- und Feiertage und den Krieg speziell – aber wer bisher unbedingt an das Gute eines europäischen Imperialismus glauben wollte, findet sich vermutlich bald wieder zurecht, moralisch. Denn es geht ja voran!

Europa, was tun? Erwache! Rüstungswettlauf!

Die Konsequenzen, die von den realen europäischen Machthabern in dieser unangenehmen Lage angesteuert werden, die weisen in eine eindeutige Richtung: Es braucht einen Rüstungswettlauf. Wenn man mal die Beschlüsse und Absichtserklärungen zur Kenntnis nimmt, die auf europäischer und nationalstaatlicher Ebene gefasst oder zumindest diskutiert wurden, dann soll die gigantische quantitative Ausweitung der Schuldenwirtschaft für Kriegsgerät einen qualitativen Umschlag voranbringen: Nach früheren und immer wieder versumpften Anläufen diesmal für die endgültige Weiterentwicklung eines europäischen Wirtschaftsbündnisses zu einem Kriegsbündnis.

Das steht einerseits für bedeutend mehr und anderes als für das kindliche Bedürfnis des erwähnten Beitrags im Standard, der darauf hinausläuft, der Ukraine eine bessere Position für eine nicht ganz so peinliche Kapitulation zu verschaffen, also wesentlich ein bisschen Gesichtswahrung für „Europa“ und für Selenskyj zu betreiben. Das Scheitern der bisherigen Anläufe in Richtung einer europäischen Streitmacht beruht allerdings auf der Konstruktion des Bündnisses selbst, auf der stückweisen Abtretung von nationaler Souveränität, um als nationaler Teil dieses Bündnisses an Macht zu gewinnen. Mit der Perspektive einer Euro-Streitmacht kämen da die letzten und gewaltigsten Brocken von Über- und Unterordnung im Verhältnis der Nationen auf die Tagesordnung.

Literatur:

https://de.gegenstandpunkt.com/archiv/dossiers/abweichende-meinungen-zum-krieg-ukraine

https://cba.media/581381
https://cba.media/573686

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